Die
Gründung des St.-Marienklosters vor Stade
und
die Herkunft seiner Gründer, der Vögte von Stade
Dieter Riemer und Hans G. Trüper
[1]
Auch für den Klosterstifter Rikbert ist eine Nähe
zur Grafschaft Seehausen wahrscheinlich. Erstmals wird
er in der Harsefelder Chronik als Vogt in einer Nachricht
über eine Schenkung der Irmgard von Plötzkau,
Witwe von Markgraf Luder-Udo III. (+ 1106) und Mutter
von Markgraf Heinrich IV. (+ 1128) an das Kloster Harsefeld
zur Zeit des Abtes Conrad (1130-1142/47) erwähnt.[2]
Vor ihm wird als einziger weltlicher Zeuge ein Hugoldus
laicus genannt. O. Wurst ist zuzustimmen, daß es
sich hierbei um den edelfreien Bruder des späteren
Bischofs Hermann von Verden (1148-1167) handeln dürfte.[3]
Ihm ist auch darin zu folgen, daß der Name Hugold
auf eine Herkunft der beiden Brüder aus dem Halberstadter
Sprengel hinweist, zumal Bischof Hermann zuvor in Halberstadt
Domherr war.[4] Fraglich erscheint jedoch seine Argumentation,
daß die beiden Brüder der Familie Behr angehören
sollen[5], weil diese 150 Jahre später in Halberstadt
begütert war und bei ihr der Name Hugold vorkam.[6]
Es gibt keine Hinweise auf eine Familie Behr im Raum Halberstadt
zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Wurst hat zudem selbst
darauf hingewiesen, daß das Kloster Kemnade im Stader
Raum aus dem Erbe des Billungers Wichmann II. reich begütert
war. Der Kemnader Äbtissin Judith aus der Familie
der Northeimer wurde vorgeworfen, das Klostergut an ihre
zahlreichen Liebhaber verlehnt zu haben. 1146 wurde sie
offiziell ihres Amtes enthoben, das Nonnenkloster aufgelöst
und seine Güter 1147 durch König Konrad III.
an Corvey übertragen. In Corvey war Judiths Bruder
Heinrich als Abt vertrieben worden.[7] Sein Nachfolger
Abt Wibald bemühte sich mit Hilfe des Königs
und des Papstes jahrelang um die Rückgabe der Kemnader
Güter im Stader Raum.[8] Durch die Äbtissin
zumindest mit Lehen begünstigt waren insbesondere
die Stader Vögte Odiko und Rikbertus sowie Hugoldus.[9]
Da Papst Eugenius III. sich auf Bitten des Abtes Wibald
von Corvey mit Schreiben vom 5. April 1148 bei Bischof
Thietmar von Verden über Hugold beschwerte,[10] muß
dieser schon vor der Erhebung seines Bruders zum Bischof
im Besitz der Kemnader Lehen gewesen sein. Somit fehlt
eine Erklärung, wie ein Mitglied der Familie Behr
aus dem Raum Halberstadt im Raum Stade Kemnader Lehen
bekommen haben könnte.[11]
In Betracht kommt hier nicht ein fiktives Mitglied der
Familie Behr, sondern ein mehrfach für den Halberstadter
Bischof als Zeuge auftretender Edelherr Hugoldus de Anverdeslove[12]
bzw. Anfrideslove.[13] Der zeitgleich auftretende Edle
Hugold von Schochwitz hatte zwar auch einen Bruder im
Halberstadter Domkapitel, der aber Gero hieß[14]
und später Bischof von Halberstadt wurde.[15] Der
erstgenannte Hugold hatte einen weltlichen Bruder Friedrich.
Beide nannten sich nach Ampfurth (n.ö. Oschersleben)
in der Grafschaft Seehausen. Ihre Familie war die vornehmste
der Grafschaft, denn sie stellte den Schultheiß
im Grafending Seehausen.[16] Friedrich I. von Ampfurth
war mit Beatrix, einer Tochter des Grafen Egilmar II.
von Oldenburg, verheiratet, so daß eine familiäre
Verbindung zur Erzdözese Bremen bestand.[17] Graf
Egilmar II. von Oldenburg hatte sich um 1112 mit dem seinerzeit
noch unfreien Lehnsgrafen Friedrich von Stade wegen seiner
Erbansprüche am Erbe der Ida von Elsdorf zu Lasten
der Udonen geeinigt.[18] Vielleicht hatte Graf Egilmar
dabei in der Grafschaft Stade Güter erhalten, die
er seiner Tochter mit in die Ehe gab oder vererbte.
Hugold von Ampfurth war 1147 bei Gütererwerbungen
des Klosters Schöningen ausdrücklich Zeuge für
Pfalzgraf Friedrich II. von Sommerschenburg sowie für
die Markgräfin Irmgard und deren Tochter Oda - Mutter
und (Halb?)Schwester des 1128 verstorbenen Markgrafen
Heinrich IV. - während sein Bruder Friedrich für
einen anderen Übergeber bezeugte.[19] Damit wird
auch der bei der Schenkung derselben Markgräfin an
das Kloster Harsefeld genannte Hugoldus laicus[20] ebenfalls
Hugold von Ampfurth sein. Als sein mutmaßlicher
geistlicher Bruder Hermann Bischof von Verden wurde, übernahm
er ggf. in dessen Bistum weitere Aufgaben, ohne die Kemnader
Lehnsgüter im Stader Raum aufzugeben.[21]
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[1]
Für detaillierte Angaben zu den benutzten Abkürzungen,
Urkundenbüchern und sonstiger in der Regel bekannter
Literatur wird auf das Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
bei Hans G. Trüper, Ritter und Knappen zwischen Weser
und Elbe, Die Ministerialität des Erzstifts Bremen,
Stade
2000 (Trüper, Ritter) S. 1037-1074, verwiesen.
[2]
HUB I Nr. 154
[3]
Otto Wurst, Bischof Hermann von Verden 1148-1167 (Hermann
v. Verden), Hildesheim 1972
S.
1-4
[4]
Wurst (Hermann v. Verden) S. 5
[5]
C.P. Hasse (1995), Hofämter, S. 75 Anm. 205, hält
die Annahme, Bischof Hermann könnte aus der Familie
von Behr stammen, für „eine bloße Spekulation“.
Auch Mindermann in seinem UB Verden I, S. 143, folgt ihr
nicht.
[6]
Wurst, Hermann v. Verden, S. 5 f
[7]
zum Ganzen vgl. Konrad Lübeck, Abt Heinrich I. von
Korvey (1143-1146), Westfälische Zeitschrift 98/99
(1949) S. 3-33
[8]
H. Dürre, Origines Kaminatenses oder Quellen zur
ältesten Geschichte des Klosters Kemnade, in: Programm
des Herzoglichen Gymnasiums zu Holzminden 1879 (Dürre,
Kemnade) , Nrn. 9-69
[9]
Dürre, Kemnade, Nr. 32
[10]
Arend Mindermann, Urkundenbuch der Bischöfe und des
Domkapitels von Verden Band 1 (UB Verden I), Stade 2001,
Nr. 115
[11]
gegen eine Zuordnung zur Familie Behr auch Mindermann
UB Verden I, S. 143 m.w.Nachw.
[12]
UB Halberstadt Nr. 205 (1144)
[13]
UB Halberstadt Nr. 206 (1144)
[14]
UB Halberstadt Nr. 205 (1144); Nr. 219 (1147)
[15]
UB Halberstadt Nr. 276 (1174)
[16]
ausdrücklich bezeugt UB Halberstadt Nr. 489 (1215):
sculteto nostro nobili viro domino Wernero de Anvorde
[17]
Hermann Lübbing, Die Rasteder Chronik 1059-1477,
Oldenburg 1976, S. 28 cap. 19 Fn 39
[18]
vgl. Riemer, Grafen, S. 78-81
[19]
UB Halberstadt Nr. 219
[20]
HUB I Nr. 154
[21]
vgl. UB Verden Nr. 120
|